Buchstaben im Rasierschaum

Gelebte Inklusion: Arnschwanger Grundschüler lernen mit St. Gunther-Kindern
Kleines r, großes R; kleines u, großes U. Das spielerische Lernen dieser Buchstaben stand kürzlich an der Arnschwanger Grundschule im Mittelpunkt. Dabei durften die Erstklässler zusammen mit den Kindern der Partnerklasse aus St. Gunther ein „M“ mit Knetmasse nachlegen, ihre Namen in Rasierschaum schreiben oder das Buchstabentraining am Whiteboard machen. Das Lernen läuft aber an der Arnschwanger Einrichtung zum Teil etwas anders ab, als an anderen Grundschulen. Grund: Seit mittlerweile sechs Jahren gibt es die St. Gunther-Partnerklasse. Die derzeit neun Kinder mit unterschiedlicher Behinderung haben ihr eigenes Klassenzimmer und werden von neun bis 13 Uhr beschult.

Keine Hemmungen – und kein Mitleid

Die Zwischentür zur angrenzenden ersten Klasse steht aber auch an diesem Vormittag offen. „Die Kinder haben zueinander einen ganz normalen Zugang und auch Umgang miteinander“, weiß Rektor Hubert Lauerer aus Erfahrung. Die„normalen“ Grundschüler hätten gegenüber den Jungen und Mädchen von St. Gunther keine Hemmungen – aber auch kein Mitleid. Nach Schulende um 13 Uhr werden die Kinder der Partnerklasse wieder nach Cham zur Bildungsstätte St. Gunther gefahren. „Für das ganze Projekt ist der Wille der Eltern entscheidend. Es sind aber schon jetzt wieder Bewerbungen für das nächste Schuljahr da“, freut sich Lauerer. Die Mütter und Väter stünden der Partnerklasse sehr aufgeschlossen gegenüber. „Es freut mich, dass sich das Projekt in Arnschwang mittlerweile etabliert hat!“

Zweimal in der Woche gibt es feste Kooperationsstunden zwischen den St. Gunther-Kindern und den ersten und zweiten Klassen. Je nach Gelegenheit wird aber noch öfter zusammen gelernt, gesungen oder gemalt. Meist sei das gemeinsame Lernen für die Kinder mit Handicap auch ein Ansporn, sich anzustrengen. „Das Zusammensein hat positive Auswirkungen“, sagt der Rektor.

Empathie, Engagement und Freude

Allein vom Wesen her sei nicht jeder Lehrer für die Arbeit mit den Grundschülern und den Kindern mit Handicap geeignet. Doch es gibt auch welche, die arbeiten mit viel Empathie, Engagement und Freude mit den Jungen und Mädchen. Isabella Hartl, die Leiterin der ersten Klasse, sei beispielsweise schon seit Anfang an dabei. Maria Hutter (zweite Klasse) arbeitet seit drei Jahren mit der Partnerklasse (GS1). Die „Chefin“ dieser GS1 ist Margarete Graß.

Der „Grundstein“ zur Idee für eine solche Partnerklasse entstand im Jahr 2000 aber nicht in Arnschwang, sondern in Runding, als Hubert Lauerer damals dort Rektor war. „Wir haben Begegnungen mit St. Gunther-Kindern gemacht“, berichtet er. Nachdem er dann 2010 Schulleiter in Arnschwang wurde, konnte 2011 die erste Partnerklasse die Grundschule in der St. Martin-Gemeinde besuchen. „Und jetzt möchte ich sie nicht mehr hergeben“, gibt Lauerer zu. Den Erfolg dieses Projekts könne man nicht messen, aber man sieht: Die Kinder gehen normal miteinander um. „Es gibt aber auch Schüler, die damit nichts anfangen können. Denen geben wir dann aber auch diese Freiheit. Unter den meisten Kindern haben sich aber schon tolle Freundschaften entwickelt“, berichtet der Rektor.

Keine Anrechnungsstunden für Lehrer

Damit dieses gemeinsame Lernen auch so reibungslos klappt, ist viel Engagement und Eigeninitiative der Verantwortlichen der Schule und der Bildungsstätte sowie der Lehrer notwendig. Die Kooperation ist mit viel zusätzlicher Arbeit verbunden. „Leider gibt es für diese Lehrkräfte bisher keine Möglichkeit, sie durch Anrechnungsstunden etwas zu entlasten“, bedauert Hubert Lauerer. Dieses Problem habe man auch schon mit Landrat Franz Löffler besprochen, der daraufhin einen Brief an Ludwig Spaenle geschrieben hat. Lösung oder Hilfe gab’s aber nicht. Dafür haben die Gemeinde Arnschwang und die Bildungsstätte St. Gunther Engagement und Eigeninitiative wiesen: Der Toilettenraum wurde verkleinert beziehungsweise der hintere Bereich abgetrennt, um dort ein behindertengerechtes WC einzubauen.